Mein Freund Marco hat mir wieder eine Geschichte erzählt, die ihn sehr aufgewühlt hat. Ich berichte Ihnen gerne davon, auch wenn Marco eigentlich nicht mehr wollte, dass ich von seinen Erlebnissen erzähle.
Er meinte, dass die Leute seine Erlebnisse nicht cool fänden und müde seien, davon zu erfahren.
Mir dämmerte, dass er den grossen Fehler gemacht hatte, Kommentare zu lesen. Ich sagte ihm, dass er das sein lassen sollte, denn keiner, der schreibt (er schreibt zwar nicht, aber über ihn wird geschrieben), lese die Kommentare auf seine Beiträge.
Ich auf jeden Fall lese keine Kommentare, grundsätzlich nie, habe ich Marco gesagt. Ich habe ihm auch gesagt, dass es von den Kommentarschreibern doch irgendwie fast schon schizophren sei, sich (immer wieder) über etwas aufzuregen, es aber dennoch regelmässig zu lesen.
Zumal es ja einfach ist, als anonymer Kommentator, sozusagen als „Heckenschütze“, sich über andere auszulassen.
Kurz und gut, ich habe Marco beruhigen können. Hier seine neueste Geschichte:
„Weisst du, wenn du von den Erlebnissen in der Bar mit den Frauen erzählst, die ständig die Clooney-Typen, die Blings-Blings dieser Welt, anhimmeln, wobei andere Männer chancenlos sind, dann macht das für mich irgendwie Sinn.
Deine Erläuterungen dazu geben mir eine Idee, warum das so ist“, begann Marco mit seiner Geschichte.
Und weiter: „Jetzt habe ich aber etwas ganz Unmögliches erlebt, das all deinen Ausführungen und Annahmen die Krone aufsetzt! Einer meiner Freunde, noch verheiratet, im Scheidungsprozess, Kinder und seit einigen Monaten Single, handhabt es wie ich.
Er hat einen Greuel an Onlinedating. Ich frage mich dabei, wie und wo er eine neue Partnerin kennen lernen möchte – die Frage der Fragen in der Single-Community.
Folgendes ist meinem Freund passiert: Er ist ja aus dem Familienhaushalt ausgezogen und brauchte neue Möbel in seiner neuen Wohnung. Auf Ricardo hat er nun ein Angebot gesehen, das ihm zusagte.
Ricardo ist vorderhand anonym, man weiss also erstmal nicht, wem man das Produkt abkauft – oder verkauft. Der Verkäufer hat es aber offenbar auf raffinierte Art und Weise geschafft, meinem Freund seine Telefonnummer zu übermitteln.
Er ruft also den Verkäufer an, um noch weiter zu verhandeln. Dabei merkt er, dass am anderen Ende eine wohlklingende Frauenstimme ertönt – was für ein toller Zufall.
Sie reden zusammen, nicht nur über das zu verhandelnde Angebot, und er denkt, sie tönt nicht nur gut, sie spricht auch gut. Was für ein toller Zufall.
Kurz und gut: Sie machen ab und treffen sich ein erstes Mal. Was stellt er fest – sie ist im richtigen Alter für ihn, sie ist ebenfalls Single, sie sieht supertoll aus und passt ganz hervorragend zu meinem Freund. Was für ein toller Zufall!“
Mein Freund Marco redet sich in Rage und ich erahne, wie sehr ihn diese Geschichte seines Freundes plagt und quält, denn Marco hat auch schon auf Onlineplattformen gekauft und verkauft, aber nie jemanden kennen gelernt, schon gar keine Traumfrau.
Eben – kein toller Zufall. Marco weiter: „Ich habe meinen Ohren nicht getraut, als mein Freund mir seine Geschichte erzählt hat.
Sie macht auch überhaupt keinen Sinn, denn deine Geschichten, die du über Evolutionsbiologie, über Bling-Blings und Frauen, die die falschen Männer anhimmeln, schreibst, machen ja hier gar keinen Sinn!
Mein Freund wusste ja noch nicht einmal, ob der Verkäufer eine Frau war, geschweige denn seine neue Traumfrau, also alle gängigen Parameter von Anziehung treten hier ausser Kraft.
Die Frau konnte weder ahnen, dass es ein männlicher Käufer war, noch dass mein Freund ein Clooney-Typ ist. Ja genau, er gehört zu denen, die in der Bar auf der Spitzenposition beim weiblichen Geschlecht sitzen.
Wäre ihm die Geschichte in einer Bar passiert, wäre ich nicht im Mindesten erstaunt gewesen. Aber auf einem anonymen Onlinemarktplatz?
Das ist ja nachgerade die Höhe eines miserablen Scherzes für alle, die dabei zuschauen müssen – auch wenn ich ihm natürlich sein Glück von Herzen gönne.
Es scheint, wie wenn „das Glück“, wie auch immer man das umschreiben mag, meinem Freund ganz entschieden nachhelfen möchte.
Er brauchte sich nicht mal in einer Bar zu zeigen, er kann bequem von zu Hause aus seine neue Traumfrau ganz easy dabei kennen lernen, indem er online Gebrauchtmöbel kauft.“
Ich kann Marco nur zu gut nachfühlen. Man empfindet eine bodenlose Ungerechtigkeit, eine lähmende Ohnmacht: Die einen sind jahrelang ungewollt Single, anderen hilft das Glück innerhalb weniger Monate.
Ich frage mich, gibt es doch Zufälle, gibt es doch Glück und Pech? Bisher habe ich das immer verneint. Ich glaube an das System „Anziehung und Abstossung“.
Ich glaube, dass Zufälle gewollt werden müssen. Aber mein Glaube gerät angesichts der Geschichte von Marcos Freund ganz entschieden ins Wanken.
Etwas anderes als „Zufall“ kann das ja nicht sein. Ein Geschenk des Himmels? Oder einfach nur ein gemeiner Schuss ins Knie für Menschen wie Marco?
Am Ende wird es wohl so sein, dass es Menschen gibt, die mehr in der Sonne stehen als andere, ob sie nun etwas dafür können oder nicht, sei mal dahingestellt.
Es gibt Menschen, die ziehen das Glück an, und es gibt wohl Menschen, die dazu verdammt sind, den schwierigen Weg durchs Leben gehen zu müssen.
Das alles sind Fragen, die wir wohl nie lösen können. Am Ende, vor dem letzten Gericht, wenn unser Leben an uns vorbeizieht, dann wird das eine der Fragen sein, die ich stellen werde.
Ich möchte wissen, worauf diese grobe Ungerechtigkeit im Leben vieler Menschen wirklich fusst. Bis dahin sollen die Glücklichen unter uns ihr Glück geniessen, die anderen auf die Zähne beissen und mit guter Miene zu bösem Spiel weiter machen.
Ich rufe Marco zu: „Nicht aufgeben, es wird wohl nicht besser werden, aber wenn du viel Glück hast, gewöhnst du dich daran!“
Es gibt zwei Arten von Missgeschick: das eigene Pech und das Glück der anderen. (Ambrose Bierce)
Sehr geehrter Herr Presta, ich mag Ihre [und von den anderen], weil Sie nicht oberflächlich (Fremdwoet für 20sec aäh 20min-Journaliatwn) 😉 danke. Ich selber bin auch nicht mehr (nur eine Zahl) jüngste (Mathematik), aber ich [zum Glück) habe viel gesehen. Danke uns weiter so
Herr Presta ist kein Typ, der zu IP passt, obwohl es jetzt Paranoia bringt, was wirklich nicht akzeptabel ist.
Wir selber entscheiden, wie wir unser Leben gestalten! Auch im Rückblick an Erreichtes klopfen wir uns stolz auf die Schultern.
Alles wohlfein EINGEBILDET: Der Zufall entscheidet:
– in welchem Land ich geboren wurde
– in welche Familie
– wer mich ausbildete
– wen ich durch meine Ausbildung kennenlernte
– wie mein Immunsystem reagiert
– usw.
Regel Nr. 1: Wer NICHT sucht, findet. Regel Nr. 2: Wer am falschen Ort sucht, wird nicht fündig. Regel Nr. 3: Authenzität ist alles.
Und wer im Ausland lebt (= ausserhalb vom Kanton Zürich), findet schnell zum Ziel. Überraschend schnell sogar!