Die Zürcher Verkehrsbetriebe (VBZ) haben einen „obersten Seilbähnler“: FDP-Stadtrat Michael Baumer.
So nannte sich Baumer bei der Eröffnungsfeier der Rigiblick-Bahn vor zwei Monaten.
4 Millionen hat der Stolz der Stadt gekostet: zwei modernste Kabinen und renovierte Haltestellen.
Die Standseilbahn führt von der Station Seilbahn Rigiblick unten beim grossen Migros den Zürichberg hoch zur Bergstation Rigiblick mit dem gleichnamigen Hotel und Theater.

Gestern sehnten sich rund 20 Zürcher nach einem echten Seilbähnler – einem, der weiss, was er tut.
Sie waren nämlich in der Mitte der Rigiblick-Strecke, an der Station Hadlaubstrasse auf 540 Meter über Meer, stecken geblieben.
Es war 17.30 Uhr, dunkle Nacht, der erste Schnee sollte bald vom Himmel fallen, unten in der City bestaunte das Volk die soeben eingeschaltete „Lucy“-Bahnhofstrassen-Beleuchtung.
Und bei ihnen ging die Tür nicht auf.
Gegensprech-Knopf drücken, auf VBZ-Techniker warten.
„Ja?“
Wir kommen nicht raus.
So, so. Das kann passieren, keine Panik. Ein Techniker mache sich auf den Weg, meint der Mann der Leitstelle.
Drinnen rechnet man mit kurzer Wartezeit. This is Zurich, da kann nichts anbrennen. Stundenlanger Shutdown à la Madrid? Doch nicht bei uns.

Oder doch? Die neue Bahn hat schon des öftern den Geist aufgeben. Dafür gibts für die Gäste eine Neuheit: das einzige VBZ-Vehikel mit einem Glas-Guckloch in der Decke.
Die Minuten zerrinnen, einige in der Kabine ziehen und zerren an der Tür – die bewegt sich keinen Millimeter.
Nach einer Viertelstunde taucht ein VBZ-Mitarbeiter auf. Vielleicht noch nicht der angekündigte Super-Techniker, dafür passt die Uniform nicht.
Aber immerhin.

Der Mann drückt und zieht von aussen, doch auch er sieht bald ein: Das Schloss ist fest verriegelt.
Auf der gegenüberliegenden Seite hat er mehr Erfolg. Die Station Hadlaubstrasse ist die „Ausweichstelle“, entsprechend steht auch die talwärts fahrende Kabine dort.
Auch sie ist verschlossen, 4 Reisende sitzen im Innern und harren der Dinge, die da kommen. Bei ihnen schafft es der VBZ-Mitarbeiter dann, die Tür zu öffnen.
Das bringt ihn auf eine Idee. Vielleicht lässt sich bei der hochfahrenden Kabine, die mit den 20 Leuten, die Tür zu Gegenkabine aufstemmen?
Siehe da, die Insassen bringen diese tatsächlich auf. Nur hat der VBZler nicht bedacht, dass auf dieser Seite ans Aussteigen nicht zu denken ist.
Es geht da steil den Hang hinunter, eine Eisentreppe hat es nicht.
Operation Not-Exit, missglückt.
Drinnen legt sich die anfängliche Anspannung. Christmas steht vor der Tür, und das kleine Mädchen in der wartenden Schar sollte doch nicht noch Angst kriegen.

So stimmen die Erwachsenen Lieder an. Feliz Navidad, ihr Kinderlein kommet.
Der Techniker aber, er bleibt aus.
Inzwischen ist es 18 Uhr, seit einer halben Stunde steht die modernste Standseilbahn der Alpenrepublik still.
Millionen bezahlt, nichts geht: Tür verriegelt, und einen Notfall-Hammer, wie man ihn aus den Postautos kennt, sahen die Designer des neuen Rigiblick-Bähnlis nicht vor.
Knister-knister. „Liebe Gäste, ich habe jetzt die Feuerwehr aufgeboten“, schallt es aus dem Off. „Und auch den Spezialisten vom technischen Dienst.“
Die Funkmeldung empfindet ein Anwesender als beschämend. „Der sprach mit uns, als wären wir Volldeppen.“
Als wäre man ein kleines Kind, dem man gut zusprechen müsste. „Für ihn schien die endlose Panne das Normalste der Welt.“
Um 20 nach sechs taucht schliesslich der angekündigte Servicemann der VBZ, die 2024 fast 700 Millionen verschlungen hatte, am Ort des grossen Wartens auf.

Durch die bereits zuvor aufgestemmte Tür auf der Fahrbahnseite klettert er zu den Gästen in der Kabine. Er ist der Erste, der sich bei ihnen entschuldigt.
Dann öffnet er den „Kasten“ über der verschlossenen Tür, wo es Kabel, Hebel und Schalter hat, an denen er herumdoktert.
Um 18.27 Uhr stemmen der VBZ-Mann und ein paar Gäste die Tür unter Aufbieten ihrer ganzen Kraft auf.
Nix wie weg hier.
Das Abenteuer hat 57 Minuten gedauert. Für Hadlaub-Reisende war es bereits das zweite Mal, dass beim neuen „Züri-Traum“ die Türen zu bleiben. Beim ersten Mal hatte ein Kleinkind die ganze Zeit geschrien.

„Besten Dank für Ihre Anfrage, wir klären diese ab und melden uns wieder bei Ihnen“, meinte die VBZ heute Morgen nach einer Anfrage kurz davor. Seither herrscht Funkstille.
„Ferienfeeling“, begannen zwei Tages-Anzeiger-Reporter ihren Bericht zur Jungfern-Fahrt des Vorzeige-Bähnlis im September.
„(S)o hell wie die neuen Kabinen der Seilbahn Rigiblick sind auch die meisten Alpen-Bahnen nicht. In Richtung Stadt, also abwärts, präsentiert sich eine fast bodenebene Fensterfront.“
Und wer „nach oben schaut, sieht den Himmel von Zürich. Es ist nicht gleich ein Panoramafenster wie beim Glacier-Express, aber immerhin ein Dachfenster mit 1,2 Metern Durchmesser“.
So etwas sei „einmalig in einem Gefährt der VBZ“. Laut der Zeitung nutzen im Jahr 700’000 Reisende Rigiblick-Bähnli.
20 von ihnen erlebten gestern ihren einstündigen Thriller. Einige haben nicht nur fürs Ticket bezahlt, sondern mit ihrem Ersparten zu den 4 Millionen Tax-Gelder für Zürichs Stolz beigetragen.
Mir fehlen die Worte…immer, wenm man denkt, IP kann nicht noch tiefer sinken, legt Lukas noch einen drauf bzw drunter.
Schlimm, ganz schlimm
„Der sprach mit uns, als wären wir Volldeppen.“
Seht es mal positiv – wenigstens hat es einen Techniker, der innert nützlicher Zeit vorbei kommt und das Problem löst. In Zukunft sind Handwerker rar und entsprechend wertvoll. Man sollte sich ein paar ins Depot legen. LOL.
Man mal eine Stunde Panne und die Welt geht unter. Bin schon länger im Stau gestanden. Ein Gratis Heissgetränk, ein Gratisticket und Entschuldigung. Bitte verlässt nie die Schweiz, woanderst können echt wilde Dinge passieren.
Ein Blick auf die Rigi aus der Ferne soll ja sehr interessant sein – ganz besonders bei garstigem Wetter oder Nebel…Also, was soll’s?
Ergriffen und erschüttert von der narrativen Wucht dieses Berichts, ja, gar eine heimliche Träne aus dem Auge tupfend, habe ich nur einen Wunsch: Möge aus dieser episch-urmenschlichen Geschichte eine mindestens sechsteilige Netflix-Serie werden!
echt dumm, wenn man die Bahnen bei Siemens bestellt.
Das wäre mit Stadler nie passiert!
Der Techniker musste sogar mit dem Lastenvelo anfahren!
Hoffentlich hatte keiner der Gäste Darmblähungen!
Käse vom Raclette wölbt sich ja bekanntermassen gerne auf.
Das neue Bähnli ist gut und sogar einigermassen «swiss-made».
Das alte Bähnli stand am Anfang seiner Karriere auch gar nicht so selten still. Im Unterschied zu heute, konnten die fähigen VBZ-Techniker damals noch in der Nähe wohnen!
Ich hoffe, dass ein paar festsassen, die für das 365-Fr.-Abo gestimmt haben.
FDP „geführter“ Laden halt.
Anscheinend kam der Techniker nicht aus Indien oder Polen.