Im majestätischen Hauptsitz der Löwen-Bank an der Zürcher Bahnhofstrasse 32 herrscht Geisterstimmung. Fast niemand spricht, kaum jemand ist in den Gängen zu sehen. Wenn hin und wieder ein Telefon klingelt, ist meist ein Headhunter am anderen Ende der Leitung, auf der Jagd nach Beratern mit vermögenden Kunden.
Die Art der Auflösung der alt-ehrwürdigen Privatbank Clariden (Gründungsjahr 1973) und Leu (1755) ist einzigartig in der Geschichte des Schweizer Finanzplatzes. Ein stolzes Institut, das in seinem letzten Geschäftsjahr 2010 immerhin 209 Millionen Franken Gewinn erzielte und zuletzt wieder Vermögenszuflüsse verzeichnete, zerfällt in seine Einzelteile. Die Angestellten sind sich der Auflösung in Echtzeit bewusst, schauen stumm und tatenlos zu – sie sind machtlos.
Der Kontrast zu den paar wenigen Chefs der 1700-köpfigen Clariden-Leu-Crew, die in der laufenden Integration ins Mutterhaus Credit Suisse (CS) eine Rolle spielen, könnte kaum grösser sein. Diese Manager erstellten in den vier Wochen seit der Ankündigung des Clariden-Endes detaillierte Pläne für die Überführung von Mitarbeitern, Teams und Kundenvermögen in den grossen Heimathafen.
Die CS-Kommandierenden bestimmten den heutigen Tag als Deadline für die Abgabe der Integrationspläne. In ihrem Tagesbefehl vom 1. Dezember mit der Überschrift „Zusammenfassung Business Area Heads Briefing Session“ fassten sie ihre Order wie folgt zusammen: „Auftrag an das Führungsteam und Zeitplan: Das Führungsteam der Clariden Leu erarbeitet zusammen mit ihren <Counterparts> bei der Credit Suisse bis zum 16. Dezember konkrete Vorschläge, wie ihre Teams in die Credit Suisse überführt werden.“
Danach soll es gemäss CS-Schlachtplan Schlag auf Schlag gehen. „Am 21. Dezember informiert der CEO alle Mitarbeitenden an einem Townhall. Bis zum 31. Januar 2012 werden alle Mitarbeitenden über die Zukunft ihrer Arbeitsstelle informiert.“ Dannzumal, wenn die Festtage 2011 längst vorbei sind, wird die Clariden Leu nur noch aus einer leeren Hülle bestehen. Am 31. März 2012 soll dann auch noch formell Schluss sein.
Aus Sicht der CS-Hauptverantwortlichen – das sind Private-Banking-Chef Hans-Ulrich Meister und sein Clariden-Leu-Statthalter Hanspeter Kurzmeyer – zählt nur eines: möglichst viele Kundenvermögen von der Tochter- in die Mutterbank transferieren. Dazu braucht es auf Seiten der Clariden-Berater die Überzeugung, dass sie mit ihren Kunden und deren Vermögen bei der CS an einem zukunftsträchtigen Ort sind.
Als Zückerchen strecken Meister und Kurzmeyer den Clariden-Beratern das Versprechen hin, ihre Kunden behalten dürfen. „Grundsätzlich werden bestehende Teams als Ganzes 1:1, d.h. auch und mit den bestehenden Kundenportfolios in die Credit Suisse integriert“, steht im Memo. CS-Berater mit dem gleichen Marktgebiet sollen sich somit nicht einfach die Clariden-Vermögen unter den Nagel reissen können.
Doch der Schutz hat einen Haken. Er endet am 31. Dezember 2012. Bis dann würden „keine Änderungen an den Kundenportfolios gemacht“, halten die CS-Chef fest, ab 2013 aber würden „unter klaren Regeln schrittweise Anpassungen“ an die sogenannten „Coverage-Modelle der Credit Suisse“ vorgenommen.
Gemeint ist „Tenero“. Das war das Gesellenstück von Hans-Ulrich Meister, nachdem er bei der UBS gekündigt hatte und per Ende 2008 in der CS-Konzernleitung Einsitz nahm. Meister teilte die CS-Berater ein in eine strikte Matrix von Kundenkategorien und geographischen Zonen. Diese mussten sämtliche nicht ins Schema passenden Kunden abtreten.
Das blüht nun auch den Clariden-Leu-Kundenberatern ab 2013. Wer dies nicht will, wird sich nach Alternativen umsehen. Das könnten viele sein. Warum die CS-Chefs dieses Wagnis eingehen, wird immer klarer. Dass sie nämlich praktisch über Nacht den Stecker bei der Clariden Leu zogen, hängt mit der Steuergeschichte des letzten CEOs der Tochterbank zusammen.
Olivier Jaquet lebte mit seiner Familie jahrelang an der Zürcher Goldküste in Männerdorf, zahlte seine Einkommenssteuern aber im Offshore-Paradies Vaduz im Fürstentum Liechtenstein. Im engen Kreis gibt CS-Oberchef Meister zu verstehen, dass der Entscheid für die Integration der Clariden Leu vor Bekanntwerden von Jaquets Steuerkapriolen noch nicht definitiv war.
Meister hatte am 1. August zusammen mit seiner Beförderung zum obersten CS-Vermögensverwalter auch die Verantwortung für die Privatbankentochter übernommen. Damals gab es zwei Varianten: Weiter wie bisher mit Clariden Leu, oder heim ins Imperium damit.
Anfang Oktober waren die Würfel laut einem Insider immer noch nicht gefallen. Am 9. Oktober explodierte die Jaquet-Steuergeschichte, der Clariden-CEO kam medial unter starken Druck. Nun gings rasch, die Variante des Status Quo landete im Papierkorb. Ein Monat später kam das Aus.
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…inside paradeplatz, jeder kundenberater der mit seinem fixum und bonus bei Bär / UBS / ZKB / Vontobel etc nicht zufrieden war ging doch mal bei der Clariden sich anbieten, da gingen ganze teams, da konnte man noch die märchen auftischen von den 100m NetNew Assets die man bringen werde und promt war man senior VP und vergoldet… Clariden ist doch nichts als ein Haufen Schwarzgeld, mit unterdurchschnittlichen KuBe’s die noch nicht mal Cross-Border buchstabieren können und wissen wie die neue welt aussieht im private banking. Erstaunlich dass Cs so lange Geduld hatte mit dem Selbstbedienungsladen…
Auf business trip haben sich die KuBe’s verkauft als würden sie im private banking der CS arbeiten… Wer braucht schon diese Bank
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@Romario. Sie wissen anscheinend wie die „neue“ Welt aussieht. Informieren Sie sich nun darüber was Private Banking in der Schweiz sein könnte. – Stichworte: Tradition, Vertrauen, Sicherheit,
langfristiges Denken, Vermögensaufbau,
Stabilität, Innovation verbunden mit Verantwortung. Nicht hohle Phrasen sondern gefüllt mit Inhalten, mit Leben. Nicht schielen auf das nächste Quartal auf den nächsten Bonus. – Und überlegen Sie sich welche Leute aus der „neuen“ Welt die sie andeuten meinen eine Bank mit Tradition nicht mehr zu brauchen. Was wir im Schweizer Banking nicht brauchen sind Zockerstuben von Technokraten die nicht über den eigenen Schlips hinaussehen und von zwei Motiven getrieben sind: Gier, und Angst. -
Wer auch immer sie vergrault hat: das ist noch lange kein Grund im lh-Stil über die CL herzuziehen! Im Gegensatz zu vielen anderen Privatbanken hat die CL in den letzten 2 Jahren ihren Kundenstamm bezüglich „Schwarzgeld“ bereinigt. Dies ist wohl leider auch ein Grund dafür, wesshalb sich die CS nun so um die Assets der CL bemüht! KuBe’s welche Ihre Versprechungen nicht erfüllt haben wurden zudem auf den Mond geschickt. Offensichtlich gehören sie auch dazu…
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Gratuliere zu dieser „Meister“-Leistung.
Dass der VR der CL, nota bene inkl Meister, einen erfahrenen CEO wie Nützi durch einen unfähigen und betrügerischen Junior ersetzte, ist ein Skandal für sich.
Dass MEISTER aber nicht den Arsch hat die Verantwortung für diesen personellen Fehlentscheid zu übernehmen und nun über 700 Mitarbeitende den Job verlieren ist wahrlich keine „Meister“-Leistung.
Und was sagt Herr Rohner dazu? Dass Filmfestival ist ja jetzt vorbei.
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@Burzel – den Journalisten der Fehler aufdeckt dafür verantwortlich zu machen ist wahrlich sehr kurz gedacht.
Diejenigen die Jacquet einsetzten haben jedoch zuwenig Anstand dafür persönlich geradezustehen und Jacquet aus der Schusslinie zu nehmen, lieber liquidieren sie eine rentierende über 250 Jahre alte Bank.
Kleiner Nachtrag: Der frischbestätige Ständerat Gutzwiller der im VR der ClaridenLeu sass wird wohl kaum Einspruch erhoben haben. – Und dass der alte Zürcher FDP-Geldadel solche Blogs nicht liest ist schade, würden Sie sich doch vielleicht überlegen ob sie ihr Geld einer andern Privatbank anvertrauen.
Davor …die jährliche Weihnachtsfeier der ClaridenLeu auszurichten hatten die Plattmacher sowies zu sehr Angst.
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Wer sagt, dass die Steuergeschichte von Herr Jaquet nicht noch aufgearbeitet wird? Der Steuersitz ist in der Regel am Wohnort der Familie.
Wie fühlt sich der Nachbar von Herr Jaquet, der ordentlich steuern zahlte? Dumm?
Und würden die Einwohner von Männedorf und alle Steuerehrlichen an der Golden Coast das Geld bei einer CL veranlagen?
Ist es besser so eine Geschichte im Dunkeln zu lassen? -
Falls die Bekanntmachung der Jaquet-Steuergeschichte (an der ja rechtlich nichts dran war) tatsächlich ausschlaggebend für den Integrations-Entscheid war wäre ja der Verfasser dieses Artikels dafür mitverantwortlich….. Congratulations, Mr. Hässig
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Inwiefern die „Affäre“ Jacquet entscheidend war wird wohl leider nie ans Licht kommen.
Dass der Entscheid eine Bank mit dieser Tradition und 1500 Angestellten zu liquidieren (mit dem Risiko einen Grossteil der Assets zu verlieren) statt die Verantwortlichen für Jacquets Einsetzung zur Kasse zu bitten absurd ist ist wohl jedem klar Denkenden bewusst. -
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Machtmenschen ohne die Gabe Selbstzweifel zuzugeben – nicht zur Reflexion fähig.
Es zieht sich eine Linie von Rainer E. Gut
über Grübel zu Brady/Rohner.
Eine über 250 Jahre alte Bank die Gewinn abwirft wird vom neu von der CS eingesetzten „Oberbefehlshaber“ respektive „Befehlsempfänger“ mit der Begründung „integriert“ sprich plattgemacht dass die kommenden Jahre für die Banken schwierig bleiben würden. – Welcher Chef einer Firma würde seine Firma mit dieser Begründung schliessen und 1800 Leute vor Weihnachten ohne Perspektive im Regen stehen lassen? Nur ein seelenloser Technokrat ohne
Selbstzweifel. – Die Bank Leu – in den 90ern eine weit weit überkapitalisierte Bank fiel damals dem neoliberalen jagen nach „Eigenmittelrendite“ zum Opfer. – Und seit 20 Jahren hat im Grunde jeder der von der CS eingesetzten Leu-Bosse das Credo einer „sicheren vertrauenswürdigen gut kapitalisierten konservativen Schweizer Privatbank“ pervertiert mit seiner Jagd nach „Return on Equity“ und damit persönlichem Bonus.Fehler. allerorten. Geduld ? Analyse ? gar Strategie ? – nirgends.
Man kann den Verantwortlichen wirklich nicht oft genug klarzumachen versuchen welchen Brand sie in Zürich zerstört haben.
und die Bonus-Empfänger bei der CS dürften sich mal fragen weshalb ihre CS prozentual mehr Gewinnrückgang haben wird 2011 als die ausgeweidete CL – und weshalb sie heute wieder von Ratingagenturen heruntergestuft wurde.
Machtmenschen ohne die Gabe Selbstzweifel zuzugeben - nicht zur Reflexion fähig. Es zieht sich eine Linie von Rainer E. Gut…
Inwiefern die "Affäre" Jacquet entscheidend war wird wohl leider nie ans Licht kommen. Dass der Entscheid eine Bank mit dieser…
Falls die Bekanntmachung der Jaquet-Steuergeschichte (an der ja rechtlich nichts dran war) tatsächlich ausschlaggebend für den Integrations-Entscheid war wäre ja…