Das Leben der allermeisten von uns läuft mehr oder weniger linear. Wir kommen auf die Welt, und die wesentlichen Schritte unseres Lebens sind vorbestimmt.
Durch unser kulturelles Umfeld, durch unsere Erziehung und natürlich durch die Notwendigkeiten eines Daseins in einer modernen westlichen Gesellschaft.
Viel Fantasie braucht man lange Zeit des Lebens nicht, viele von uns gar nie im Leben. Ich meine Fantasie in der Ausgestaltung unseres Lebens, unseres Lebensweges.
Die Schule als erster gegebener Schritt versuchen wir alle möglichst optimal, ja gar gut und erfolgreich zu absolvieren. Neun Jahre bringen wir hinter uns, in der Hoffnung auf eine gute Grundschulbildung und danach eine Lehre oder gar ein Studium.
Der Berufswunsch setzt für einige von uns bereits die erste wirklich grosse kreative Leistung voraus. Was soll ich lernen, wofür tauge ich?
Während der Berufsausbildung beginnt den einen zu dämmern, dass sie Karriere machen wollen, dass sie weiterreichende Schulen besuchen wollen. Die anderen begeben sich ins Umfeld einer Familie, ein paar wenige realisieren beides.
Auch das keine kreative Leistung, der Lebensfluss drängt sich uns auf.
Natürlich sind wir gefordert, als Berufs- und Fachleute, als Vorgesetzte, als Eltern. Es ist zuweilen streng und das Leben setzt grosses Engagement voraus.
Aber keine Kreativleistung. Wir schwimmen mit. „Man“ macht Karriere, „man“ gründet eine Familie. So weit so normal.
Läuft der Fluss des Lebens geordnet weiter, muss man sich um sich selbst fortan auch keine Gedanken machen, schon gar keine kreativen Lösungen für sein Leben finden. Man macht, was alle machen.
Sorgt sich für den Nachwuchs, debattiert, wo man dieses Jahr in Urlaub fahren möchte, ob man sich ein Eigenheim oder ein neues Auto leisten kann oder nicht, ob es sinnvoll ist, für seine Karriere die Stelle zu wechseln. Und so weiter.
Man wird älter, erreicht die gefürchteten Jahre zwischen 55 und 65. Für viele immer noch nichts Spezielles. Man geniesst (oder bastelt weiterhin) seine Karriere.
Die Kinder werden grösser, ziehen aus und bekommen dann selbst Kinder. Man ist dann primär nicht mehr Eltern (das aber auch – immer), sondern geniesst das Dasein als frisch gebackene Grosseltern.
In etwa gleichzeitig bereitet man sich auf seine Pensionierung vor. Man weiss natürlich bereits, wie das sein wird, alles ist vorbereitet, Pensionierungspläne mit der Bank besprochen und Engagement innerhalb der Familie als Grosseltern ebenso.
Nichts geht schief. Man wird älter und älter, und weil man so zufrieden, wie auf Schienen, durchs Leben gefahren ist, von einem „vorgegebenen“ Punkt zum nächsten, hat auch die Psyche nie wesentlich gelitten.
Man bleibt also gesund und wird alt. Dann stirbt man, und ein paar Dutzend Menschen, alle „Lieben und Liebsten des Verstorbenen“, künden auf der Todesanzeige vom schmerzlichen Verlust.
Kreatives Leben?
Nun denn, lassen Sie uns das aus der anderen Perspektive sehen.
Nicht alles läuft linear. Sie haben sich für Ihr Leben eine Sportlerkarriere gewünscht. Und brechen sich die Hüfte, so dass Sie nie mehr engagiert Sport treiben können.
Oder Sie sind Familienmensch durch und durch. Ihr Partner schmeisst das Handtuch und hinterlässt keine Familie, sondern einen Trümmerhaufen.
Sie werden krank, nicht früher als andere, sondern überhaupt. Die Krankheit dominiert Ihr Dasein.
Es gibt für einige von uns Weggabelungen, an denen sie vor dem Nichts stehen, manchmal mehr als einmal pro Leben. Punkte, an denen nichts mehr vorgegeben ist, kein logischer nächster Schritt.
An diesen Punkten zeigt sich das Leben. Kreativität! Wir müssen lernen, mit nicht vorgegebenen Lebenssituationen kreativ umzugehen. Wir müssen uns selbst einen sinnvollen nächsten Schritt kreieren.
Wir können den Fluss des Lebens nicht geniessen, nicht konsumieren, wir müssen ihn gestalten.
Ich bin der tiefen Überzeugung, dass diese Menschen – Menschen, die kreativ sind, ganz einfach, weil sie müssen – ganz wertvolle Menschen sind. Viel wertvoller, als sie der Mainstream beäugt und wohl auch bedauert.
Sie haben womöglich ihre Seelen einen wesentlichen Schritt weitergebracht auf dem langen Weg der Wanderung.
„Eines Tages wird alles gut sein, das ist unsere Hoffnung, heute ist alles in Ordnung, das ist unsere Illusion.“ (Voltaire)
Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Dazu passt ein Bonmot von Oscar Wilde:
Am Ende wird alles gut.
Wenn es nicht gut wird so ist es noch nicht das Ende. -
Ein wirklich toller und wertvoller Beitrag!
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Danke. Tut gut zu lesen.
Ja, der klassische Schweizer, Generation meines Vaters, ist ein Auslaufmodell. Der neue, junge Schweizer ist/wird kreativ, bzw.ist es schon. Es gibt schon viele Beispiele. -
Schade dass der Artikel dort endet wo er interessant hätte werden können!
Die Story nicht zu Ende gedacht…. -
Presta sollte mit Hans Geier das Gespräch suchen, das würde bestimmt beiden helfen.
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Auch ein einfaches, weitgehend vorgegebenes Leben braucht schon weit vor dem Berufswunsch, bereits ab der frühen Kindheit viel Kreativität. Kreativität in der Gestaltung seiner Beziehungen, ohne die kein gutes Leben gelingt.
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Die meisten Leute werden das Leben nie leben oder verstehen, oder anders gesagt, ein artgerechtes Leben führen. Sie bleiben gerne in ihrem Käfig eingesperrt, lassen sich füttern und dressieren und fühlen sich sicher, sie bilden sich sogar ein, sie seien frei. Wie der Zirkus Löwe, öffnet man seinen Käfig und entlässt ihn in die Wildnis, findet er sich auch nicht mehr zurecht.
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Ich mag den Herr Presta. Auch wenn ich mir einrede, dass viel erreicht habe und das beste aus meinen Brüchen gemacht habe. Irgendwie war es linear und wenig kreativ in nachhinein.
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Der Mensch ist und bleibt ein Individuum. Wer immer einen als wertvoll oder unnütz erachtet, ist für die Seele egal. Den Menschen eigentlich auch, wobei das schon deutlich schwerer ist Es gilt die eigenen Ziele zu verfolgen. Wenn man sie denn spürt und ihnen folgen mag.
Denn die Falle besteht darin, nach aussen einen „normalen“ und „erfolgreichen“ Weg zu gehen. Unfälle und Krankheiten sowie andere als negativ betrachtete Vorkommnisse sind die Möglichkeiten der Seele, uns auf den vorgesehenen Weg zu bringen.
Manche Meinungen, dass man mit „richtigem Denken“ im Leben (fast) alles erreichen könne, was man wolle, ist ein Irrglaube. Wir hätten sonst Millionen von Ronaldos, Federers, Odermatts oder was immer. Mit der Konsequenz, dass davon keiner mehr auffallen würde, weil man nicht mehr herausstehend würde, sondern nur noch einer unter vielen wäre.
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Herr Presta und alle die Kommentatoren: Was ist das für ein Denken, das sich zumutet, Menschen in wertvollere und – logisch- weniger wertvolle einzuteilen?
Welche Arroganz.
Es steht doch niemandem zu, egal aufgrund welcher Kriterien, die Qualität von Lebensführungen zu bewerten.
die guten ins Töpfchen, die schlechten – wohin?
Wo beginnt Diskriminierung?
Dagegen stünde: was dem einen sin Uhl, ist dem anderen sin Nachtigall.
Auch schon davon gehört? -
Leider wartet man in diesem Artikel vergeblich auf ein paar Beispiele solch kreativer Beispiele. Erst dann wäre eine wirkliche Beurteilung über das „wertvoller“ ja erst möglich.
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feiere dich mann😀das leben im sog. mittelstand perfekt beschrieben💪
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Ja-Sager Probleme 😉
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Dieser Artikel hat mir die Augen geöffnet und dies als Mönch, der sich der Kontemplation hingibt. Ich werde nun den Schweigetempel kurz besuchen.
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Modernen westliche Gesellschaft? Woke, Umweltschutz, Biodiversität, Klimakrise.
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Und wenn uns unser Leben zu langweilig vorkommt, weil alles auf Schienen läuft und so verdammt unkreativ ist, dann ziehen wir uns halt ein Crack-Pfeifchen rein und gehen danach die Schwarze Piste runter… dadurch brechen wir uns die Hüfte, und voila – schon müssen wir kreativ sein.
Alternativ könnten wir auch eine Affäre am Arbeitsplatz anfangen und es dann unsere bessere Hälfte wissen lassen – auch das bringt kreative Frische ins öde Leben.
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ich bin jung, gesund und single haha😂
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Es gibt Leute die haben mit 50 noch nichts von der Welt gesehen, weil sie immer der Karriere nachgerannt sind :).
Jetzt ist der Moment. Dem Chef die Kündigung auf dem Pult knallen. Zum Flughafen. Flug Pattaya einfach & mit LEBEN anfangen.
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Also folgendes habe ich erlebt:
Viel Geld, Viel Bonus, Viel Arbeiten, Viel Büropräsenz.
Jetzt bin ich 49ig.
Wieso soll ich Ferien machen? Etwas erleben? Meinen Job künden und reisen gehen? Mich mit freunden treffen die NICHT etwas mit der Arbeit zu tun haben?
Neidisch?
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Die Latex-Industrie wirds freuen!
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Engadin, Tessin und Jura sind auch sehr reizvoll. Ohne red-light.
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Wenn man erkannt hat, dass Karriere, Konsum und Status unwichtig ist, dann ist man frei.
Frei von dem unnützen Zeugs.
Und kann sich auf das wirklich wichtige konzentrieren. Gesundheit und Sozialleben.
Erlebnisse machen glücklich. Und nicht Konsum. Und mit Erlebnisse meine ich nicht die geilen 12 Stunden Tage im Büro und dann mit den Geschäftskollegen noch etwas trinken, weil man so ein cooler Hengst ist.
Geld macht nicht glücklich.
Wer jetzt noch auf der Bank dem Bonus nachrennt, der hat im Leben etwas nicht verstanden.
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Stimmt genau. Wie geil muss das sein eine Plastiktasche von Louis Vuitton für CHF 2‘000 zu besitzen oder eine simple Edelstahl Rolex für über CHF 10‘000. Konsum ist nur eine kompensatorische Flucht weil einem sonst etwas fehlt ein Partner, Freunde, Begegnungen. Lebensfreude, Spass, Abwechslung.
Sehen sie sich die Menschen zu Rush Hour Zeiten an. Steinerne Mienen, wie aufgezogene Puppen so wie schon Demokrat Läppli sagte: sie chömät am achti, sie gönd am zwölfi, sie chömät am zwei, sie gönd am fünfi…..Viel hat sich seither nicht verändert.
Ist das das Leben? Kaum oder?
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Für Statussymbole die Gesundheit ruiniert und den frühen Tod riskiert (oder erzielt). Herzliches Bravo liebe Bonus-Banker!
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…um das Leben in dieser Form geniessen zu können, benötigt man genügend Kapital.
Überall auf der Welt fallen Fixkosten an, ob man es will oder nicht…..auch als Aussteiger und Weltenbummler…Also benötigt man Hart verdientes Erspartes, Geerbtes oder man muss weiterhin arbeiten.
Das Leben kann auch arbeitend und viel verdienend wunderbar sein, wenn es für denjenigen passt und die Freude dabei überwiegt.
Wichtig ist: kreativ und für jeden eine individuell ideale Balance zu finden.
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„Living a life with no regrets“ ist wichtiger als ein schöner Lebenslauf und den Anforderungen der Gesellschaft zu entsprechen.
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Dieser Bruch ist ein Bruch ist ein Bruch.
Stimmt genau. Wie geil muss das sein eine Plastiktasche von Louis Vuitton für CHF 2‘000 zu besitzen oder eine simple…
Es gibt Leute die haben mit 50 noch nichts von der Welt gesehen, weil sie immer der Karriere nachgerannt sind…
Also folgendes habe ich erlebt: Viel Geld, Viel Bonus, Viel Arbeiten, Viel Büropräsenz. Jetzt bin ich 49ig. Wieso soll ich…