Bewertungs-Plattformen wie Kununu, Indeed und Glassdoor wurden einst mit dem noblen Ziel ins Leben gerufen, mehr Transparenz in den Arbeitsmarkt zu bringen.
Sie sollten ein Ort sein, an dem Arbeitnehmer ehrlich und anonym ihre Erfahrungen teilen können, ohne Angst vor Repressalien.
Doch was einst als Brücke zur Wahrheit gedacht war, ist heute oft nichts anderes als Mittel zum Zweck für Imagepflege geworden.
Diese Plattformen haben mittlerweile ihren guten Ruf verloren. Gefälschte und gekaufte Bewertungen machen es zunehmend schwerer, Wahrheit von Manipulation zu unterscheiden.
Verbraucherschützer raten, sich an negativen Bewertungen zu orientieren – doch was passiert, wenn diese plötzlich verschwinden?
Kununu, die grösste Arbeitgeber-Bewertungsplattform im deutschsprachigen Raum, steht derzeit besonders in der Kritik.
Ehemalige Mitarbeiter eines grossen Online-Lebensmittelhändlers berichten, dass zahlreiche ihrer negativen Bewertungen gelöscht wurden.
Nicht, weil sie falsch oder beleidigend wären, sondern weil sie eine unangenehme Realität darstellten, die das Unternehmen gefährden würden.
Dieser Mechanismus wiederholt sich bei vielen grossen Unternehmen – von Banken über Versicherungen bis hin zu Beratungsfirmen.
Unternehmen üben gezielt Druck auf die Plattformen aus, um negative Stimmen zu entfernen und ihr öffentliches Bild zu kontrollieren.
Mittlerweile haben sich sogar Anwaltskanzleien darauf spezialisiert, negative Bewertungen für Unternehmen löschen zu lassen.
Laut Kununu-Mediensprecher Dario Wilding hält sich die Plattform an die deutsche Rechtsprechung, doch es gibt offensichtliche Lücken im System.
Unternehmen können Bewertungen melden, die dann deaktiviert bleiben, bis die bewertende Person entweder ihre Beschäftigung nachweist oder die Kritik so weit anpasst, dass von der ursprünglichen Aussage nichts mehr übrig bleibt.
Wie glaubwürdig ist eine Plattform, die genau die Anonymität aufgibt, die sie eigentlich schützen soll?
Erfahrungsberichte von Nutzern bestätigen dieses Vorgehen.
„Kununu gibt Daten an Unternehmen weiter, damit diese wissen, wer schlecht bewertet hat. Andere Ex-Mitarbeiter haben dank Kununu eine Unterlassungsklage am Hals, nur weil sie sich sachlich negativ zum Ex-Arbeitgeber geäussert haben.“
„Trotz Arbeitsvertrag wird die Bewertung nicht wieder aktiviert. Es müssen alle Sätze, die vom Anwalt beanstandet wurden, gelöscht werden, und am Ende bleibt nichts mehr übrig, denn jedes Mal werden neue Sätze beanstandet.“
Kritische Bewertungen müssen also so weit angepasst werden, bis sie den Vorstellungen der Arbeitgeber entsprechen.
Auf die Frage, nach welchen Kriterien eine Bewertung gemeldet wird und wo die Grenze gezogen wird, gab der Online-Lebensmittelmarkt keine Antwort.
Plattformen wie Kununu sollten eigentlich dazu dienen, Jobsuchenden einen ehrlichen Einblick in den Arbeitsalltag zu geben. Doch anstatt unabhängige Informationsquellen zu sein, scheinen sie immer mehr zum verlängerten Arm der Marketing-Abteilungen der Unternehmen zu werden.
Wie viel Wert hat eine solche Plattform noch, wenn Unternehmen ihre Kritiker durch rechtliche Schritte zum Schweigen bringen können?
Dieser Missbrauch schadet letztlich den Nutzern, die auf transparente und ehrliche Bewertungen angewiesen sind. Wenn Bewerber nicht mehr darauf vertrauen können, dass ihre Meinung gehört wird, richten Kununu und Co. mehr Schaden an, als dass sie nützen.
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