Machen wir uns nichts vor: Ein Vorstellungsgespräch ist zwar eine grosse Chance, kann aber auch eine Zitterpartie sein, vergleichbar einem Elfmeter, bei dem sogar Lionel Messi die Nerven versagen können.
Allerdings: Der Torhüter ist nicht Ihr Gegner, sondern jemand, der ein Interesse hat, eine Stelle möglichst gut zu besetzen. Das sollte Mut machen.
Ziel dieses Beitrags ist es:
Ihnen zu helfen, sich optimal auf ein Vorstellungsgespräch vorzubereiten;
Ihre mündlichen Kommunikationsfähigkeiten grundsätzlich zu verbessern (denn Sie können nicht „plötzlich“ gut sein in einem Bewerbungsgespräch, wenn Sie im täglichen Leben nicht auf Ihre Kommunikation achten);
Wir zeigen Wege, wie Sie
Ihre schriftlichen Bewerbungsunterlagen in mündliche Kommunikation übersetzen;
sich vorbereiten auf Fragen und Themen, die im bisherigen Verlauf der Bewerbung noch keine Rolle spielten;
Ihre Stimme und Ihr nonverbales Verhalten berücksichtigen;
sich von den anderen übrig gebliebenen Bewerbern abheben.
Im Haupttext finden Sie die Grundlagen, ausführlichere Erläuterungen und Beispiele erhalten Sie über die im Text eingebauten Links.
1) Wie für die schriftliche Bewerbung gibt es auch fürs Bewerbungsgespräch sinnvolle Seiten mit generellen Tipps. Es lohnt sich, einige davon durchzuarbeiten, immer mit dem Blick auf die eigene Situation und mit dem Imperativ, authentisch zu bleiben.
Eine Show abzuziehen sollte man erst gar nicht versuchen, denn man kennt den Geschmack des Publikums ja nicht.
Absolut entscheidend: Wie hervorragend auch immer schriftliche Bewerbung war, das Bewerbungsgespräch ist eine neue Baustelle, wo Sie mit Blick auf die verbleibende Konkurrenz wieder auf Start stehen.
Darum: Eine exzellente Vorbereitung ist nicht nur inhaltlich wichtig, Sie gibt Ihnen auch eine gewisse Sicherheit, ruhig aufzutreten und gut auf überraschende Situationen reagieren zu können. Davon handeln die folgenden Hinweise, die auf die Themen des letzten IP-Standpunkts zur Bewerbung abgestimmt sind.
2) Schauen Sie sich die Kompetenzen an, die Sie in der Bewerbung aufgeführt haben. In der Gesprächsvorbereitung geht es nun darum, Evidenzen zu finden, die Ihrem Interviewpartner anschaulich darstellen werden, was genau Sie jeweils gemeint haben und wie das für ihn nützlich sein kann.
„Kundenorientierung“ beispielsweise sagt sich leicht, aber was Sie hier konkret geleistet haben, sollten Sie so nachvollziehbar darlegen können, dass eine Brücke zur neuen Stelle geschlagen werden kann.
3) Die Art und Weise Ihres Handelns, also die Frage, wie Sie zu Ihren Ergebnissen oder Entscheiden gekommen sind, wird im Gespräch eine wichtige Rolle spielen.
Haben Sie alles Handeln den messbaren Ergebnisfaktoren untergeordnet? Arbeiten Sie bewusst in Übereinstimmung mit den Werten und Prinzipien Ihrer Firma? Oder „vergessen“ Sie die Entwicklung Ihrer Mitarbeiter? Welches sind Ihre Führungsgrundsätze? Wie können Sie überzeugend darlegen, dass Sie auch entsprechend handeln?
4) Eine Rückstufung im Rang, eine Kündigung seitens des Arbeitgebers, Lücken im Lebenslauf können im Gespräch bei guter Vorbereitung in ein positives Licht gestellt werden. Dazu braucht es aber Ihre Fähigkeit zur Reflexion.
Dies gilt auch für begangene Fehler, zu denen man umso eher stehen kann, je mehr man darlegen kann, was man daraus gelernt hat. Was auf den ersten Blick abstrakt tönt, wird in der Praxis immer wichtiger, gerade weil Karrieren heute eben keine Einbahnstrassen mehr sind.
5) Sie erinnern sich an die verschiedenen Kriterien der Stellenbeschreibung und wie Sie darauf in der Bewerbung reagiert haben. Im Gespräch müssen Sie unbedingt konsistent sein, also keine Widersprüche zu den eingereichten Unterlagen eingehen.
Das gilt natürlich auch für alle anderen Dokumente, besonders das Motivationsschreiben. Es ist möglich, dass man Sie darauf abklopfen wird. Was Sie während dem Gespräch auch nicht dürfen, ist unsicher in Ihren eigenen Dokumenten zu suchen.
6) Ihre schriftliche Bewerbung war gut, darum sind Sie ja zum Gespräch eingeladen worden. Jetzt aber sind Sie unter Druck, weil Sie (im Gegensatz zum Schreiben) nicht korrigieren und lange herumfeilen können. Was Sie sagen, muss auf Anhieb sitzen.
Wie können Sie das üben? Nehmen Sie beispielsweise das „NZZexecutive“ und beantworten Sie die Fragen im Interview aus Ihrer Sicht. Machen Sie das laut, geben Sie sich nur eine Chance, wie wenn Sie dem Interviewer gegenüber sässen.
7) Um den Horizont zielgerichtet zu erweitern und so auf verschiedenste Themen möglichst gut vorbereitet zu sein, können Sie einen gedanklichen Seitenwechsel vornehmen, indem Sie sich bei bestimmten Gelegenheiten in die Situation Ihrer späteren Gegenüber versetzen.
Fragen Sie sich beispielsweise beim Lesen des Wirtschaftsteils: „Was bedeutet das für diese Firma?“, „Was würde ich einen Stellenkandidaten dazu fragen?“
8) Achten Sie auf Ihre Sprache, seien Sie zurückhaltend mit Fachjargon und Anglizismen. Was für die schriftliche Bewerbung gilt, trifft auch aufs Interview zu, ausser Sie merken situativ, dass ein bestimmter Jargon angebracht ist.
Zusätzlich spielen im Interview weitere Aspekte der Sprache eine Rolle: Es kommt nicht nur darauf an, was Sie sagen, sondern auch, WIE Sie etwas sagen.
9) Darüber hinaus ist auch Ihr nonverbales Verhalten von grosser Bedeutung. Beispielsweise muss das Gesagte mit Ihrem Körperausdruck übereinstimmen. Wenn Sie angespannt sind und sich nicht wirklich aufs Gespräch freuen, sagen Sie es auch nicht – denn Ihr (Gesichts-)Ausdruck wird Sie verraten.
Wenn Sie begrüsst werden „Ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen“, würde ich „Gleichfalls“ sagen (und nicht auf der „Freude“ herumreiten) und mich dann für die Einladung zum Gespräch bedanken.
10) Wir haben im letzten Beitrag auf die überragende Bedeutung eines guten Netzwerkes hingewiesen. Hilft Ihnen das im Gespräch auch? Sollen Sie Bezug auf Personen Ihres Netzwerkes nehmen?
Wenn Sie von jemandem aus der Firma empfohlen worden sind, ergibt sich das von selbst. Grundsätzlich würde ich aber sehr zurückhaltend sein mit „name dropping“, ausser natürlich es gehört zum Job.
11) Wenn Sie bis in die letzten Runden gekommen sind, stehen Sie vielleicht mehreren Personen gleichzeitig gegenüber. Lernen Sie wenn möglich deren Namen und Funktion vorher auswendig.
Was sind deren individuellen Interessen an einer guten Besetzung der Stelle? Scheuen Sie sich nicht, während dem Gespräch Notizen oder Skizzen zu machen. Vielleicht gelingt es Ihnen, Zusammenhänge zwischen den einzelnen Personen, deren Bereichen zu erkennen (mit den Widersprüchen würde ich noch zuwarten), was durchaus beeindruckend sein kann – und darum geht es ja.
12) Wenn Sie aus einer anderen Branche kommen (oder von einem Grossunternehmen zu einer KMU wechseln möchten), haben Sie sich ja bereits in einem frühen Stadium des Bewerbungsprozesses Gedanken zu den möglichen Kultur-, Image- und anderen Unterschieden gemacht.
Es ist möglich, dass Sie direkt darauf angesprochen werden, und darauf sollten Sie sich vorbereiten, indem Sie darlegen, warum Sie damit gut umgehen können.
13) Kommen Sie an der richtigen Stelle zum Schluss. Das gilt für einzelne Sätze (keine Schachtelsätze), Antworten (nicht zu viele Unterpunkte und Details), aber auch für die Verabschiedung.
Natürlich bestimmen nicht Sie deren Zeitpunkt, aber auf Bemerkungen wie „Haben Sie noch Fragen?“ oder „Ist sonst noch etwas?“ sollten Sie entschlossen antworten (entweder einen wirklich wichtigen Punkt noch bringen oder dankend Nein sagen).
Was gar nicht geht, ist Unsicherheit zu zeigen oder – noch schlimmer (Sie sind nicht Inspektor Columbo) – nochmals mit etwas hervorzukommen, obwohl ein Thema abgeschlossen ist oder bereits Aufbruchsstimmung herrscht.
Stopp. Jetzt fällt mir gerade ein, dass ich Ihnen ja noch … nein, lassen wir‘s!
Mit der Übersicht und den Links zu bereits erschienenen IP-Standpunkten zur Beruflichen Fitness (in Klammern jeweils die Bank-Beratung als analoger Prozess) verfügen Sie über ein praktisches Werkzeug als Hilfe zur Selbsthilfe:
1) Standortbestimmung / Selbsterkenntnis (Understand your Client)
2) Optionen / Grundsätzliche Möglichkeiten (Propose)
3) Entscheiden und Umsetzen, mit 9-Box (Decide and Implement)
4) Laufende Überprüfung und Anpassung, mit Erfolgs-Equalizer (Review)
5) Weiterbildung mit 50plus … oder jünger
Zusammenfassung der Arbeitsblätter 1-5
Unterhaltsamer Nachtrag … (http://www.zeit.de/karriere/bewerbung/2015-04/bewerbung-fragen-quiz)