Ich weiss nicht, ob es Gott gibt. Dennoch würde ich mich als gläubig bezeichnen. Und so spreche ich manchmal mit unserem Schöpfer, wer oder was immer das auch ist.
Vor allem, wenn ich mein Leben Revue passieren lasse und auf das versuche zu schauen, was noch vor mir sein könnte.
Diese Rück- und Vorschau ist wohl typisch für mein Alter. Wenn unser Leben ein Eishockeymatch wäre, dann hat für mich unzweifelhaft das dritte und letzte Drittel begonnen.
Ich bin bereits etwas müde von den ersten zwei Dritteln. Zwei Drittel, in denen mir der Gegner ein paar böse Schläge versetzt hat.
Aber auch zwei Drittel, in denen ich viele Tore schiessen konnte.
Nun denn, lassen Sie mich mit meinem Schöpfer reden. Und lassen Sie mich Wünsche ans Leben formulieren.
Eine gute Übung, wie ich meine, um das letzte Drittel in Angriff zu nehmen.
Was Jack Nicholson und Morgan Freeman in dem grandiosen Film „Bucket List“ am Ende ihres Lebens noch in Angriff nehmen, ist grossartig. Hollywood eben.
Mein Leben ist kein Hollywood-Film, zum Glück – oder leider, je nachdem. Mein Leben ist das Leben, das die allermeisten von uns leben.
Ein sogenannt „normales“ Leben.
Aber heisst das, dass wir keine Bucket List haben sollen, dass wir nicht Wünsche und Träume formulieren dürfen? Ist es vermessen oder zu wenig demütig dem Leben gegenüber?
Ich glaube nicht. Demut dem Leben gegenüber heisst für mich, das Beste aus dem Leben zu machen, diesem wundervollen Leben, das uns allen geschenkt wurde.
Demut heisst auch, sich sehr klar dessen bewusst zu sein, wo man im Leben steht.
Demut beinhaltet Dankbarkeit, beinhaltet Rücksichtnahme auf andere Menschen und Geschöpfe. Demut heisst für mich, meinen Platz zu kennen.
Und Demut heisst, nicht aufzugeben, bevor das dritte Drittel fertig gespielt wurde.
Ob ich den Match gewinne oder nicht, das liegt wohl nicht (alleine) in meiner Hand. Das Resultat zu akzeptieren, heisst wohl auch – demütig sein.
Denn Demut ist Staunen der Schöpfung gegenüber, Ehrfurcht vor etwas, das grösser ist als wir.
Meine Wünsche? Natürlich würde ich beispielsweise gerne sagen „Das ist die Frau meines Lebens“.
Habe ich nicht geschafft. Denn die Zeit ist nicht nur unser Freund und heilt bekanntlich alle Wunden. Die Zeit ist auch unser Feind.
Wenn man vor 40 Jahren keinen Baum gepflanzt hat, dann hat man heute keinen schönen, grossen Baum im Garten, mit dem einen eine gemeinsame Geschichte verbindet.
Man kann heute noch einen pflanzen, erlebt es aber nicht mehr, wenn er gross ist und Früchte trägt.
Geschichten sind wichtig, gemeinsam erlebte Geschichten umso mehr. Das Leben ist eine einzig grosse Geschichte.
Sind darum die anderen, verbliebenen Wünsche und Träume weniger „wertvoll“?
Ich bin mir da nicht so sicher und nehme diese Frage oft in die (einseitigen) Gespräche mit unserem Schöpfer. Eine Antwort gibt es – naturgemäss – nicht.
Aber meine Wünsche, Träume und Hoffnungen kenne ich. Gesundheit, Geborgenheit, Frieden und Liebe gehören ganz eindeutig dazu.
Mein Kind gross werden zu sehen, mein Kind noch lange lachen zu hören, mein Kind glücklich zu wissen, auch das gehört zu meinen zentralen Wünschen.
Ich wünsche mir, weiterhin tollen Menschen zu begegnen, ich wünsche mir noch lange einen klaren Kopf zu behalten, nahe an dem zu sein, von dem ich glaube, dass es der „Wahrhaftigkeit“ nahekommt.
Ich wünsche mir, Zustände von Vertrauen und Glück erleben zu dürfen, ich wünsche mir, dass die Einsamkeit mich nicht allzu oft überfällt, ich wünsche mir Abenteuer, ich wünsche mir, dass die Menschen, die ich liebe, gesegnet sind, dass sie sicher sind.
Und ich wünsche mir, dort anzukommen, wo es wohl am wichtigsten ist – bei mir selbst. Ich bin der Hoffnung, dass es – wenn das dritte Drittel vorüber ist – so etwas wie eine letzte Gerechtigkeit geben mag.
Warum ich das alles schreibe? Wissen Sie, ohne dass ich jeden einzelnen von Ihnen kenne, so habe ich doch dank meinem Beruf in meinem Leben sehr viele Menschen zum Teil sehr gut kennen lernen dürfen.
Menschen aller Couleur, Menschen aus fast allen Weltteilen, Menschen aus allen Schichten und Berufen, Manager, Filmregisseure, Pöstler, Unternehmer, Mechaniker, Journalisten und viele, viele mehr.
Und nach all den Jahren, nach all den vielen Begegnungen komme ich zur Einsicht, dass wir wohl alle die gleiche Basis haben. Wir alle spielen das Spiel des Lebens, wir alle wünschen uns in der Basis dasselbe.
Wir wünschen, ernst genommen zu werden, geliebt zu werden und lieben zu dürfen, wir wünschen uns Sicherheit und eine gute Zukunft.
Wir wünschen uns Gesundheit und wir wünschen uns wertvolle Menschen um uns.
Und nun, ganz zum Schluss, die Gretchenfrage: Wenn das alles wahr ist, wenn wir uns tatsächlich in den Wünschen und Hoffnungen sehr ähnlich, ja sogar gleich sind:
Warum in Dreiteufelsnamen benehmen wir uns jeden Tag im Leben wie die Berserker?
„Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die Euch erfüllt“ (1. Petrus 3,15)
Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Und nun dürfen auch wir Dein Geplapper demütig anhören. Wie nett von Dir.
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Glaubst Du was Du denkst? Oder denkst Du was Du glaubst oder was andere (Andernde) denken?
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ja Presta, nun hast du bald ewig Zeit über deine Fehler in deinem verlausten Leben im Liegen nachdenken zu können. Ein bisschen weniger Arroganz, Übermut, Naivität und dekadentes Grossherrentum wären dir und deiner Brut sicher gut gestanden! Evtl. sollen auch Bescheidenheit und keine Darstellungssucht geholfen haben. Aber wem erzähl ich das. Du bist doch sowieso allwissend.
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Eine Ode an das Leben!
Danke dafür, Markus Presta!
Ciao,
Ars Vivendi -
Sehr schön geschrieben! Congrats!
Weiterhin eine gute Gesundheit, für mich und alle die ich liebe, denn ohne Gesundheit, geht gar nichts…Auch Reisen steht auf meiner Liste, wieder Reiten, Tiere. Es steht auch, Wunsch, dass unsere Politiker endlich zur Einsicht und Umkehr gelangen, dass es eine bessere Weltpolitik gibt, vor allem eine faire, korrektere, dass das Politsystem sich ändert. Auch, dass ich mein Buch schreiben kann über all das Geschehene.
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Sehr schön geschrieben! Congrats! Weiterhin eine gute Gesundheit, für mich und alle die ich liebe, denn ohne Gesundheit, geht gar…
Eine Ode an das Leben! Danke dafür, Markus Presta! Ciao, Ars Vivendi
ja Presta, nun hast du bald ewig Zeit über deine Fehler in deinem verlausten Leben im Liegen nachdenken zu können.…