In meinem Beitrag („Mann, allein, kleiner als 1,80? Vergessen Sie’s“) behandle ich ein Thema, das offenbar bewegt und viele betrifft. Grund genug, mich darin etwas zu vertiefen.
Lassen Sie uns zuerst auf den Löwen mit der schütteren Mähne und der geringen Manneskraft zurückkommen: Der Löwe kann sich nicht nur nicht paaren und findet keine Aufnahme in einer sozialen Gruppe.
Wissen Sie, was mit ihm passiert? Er stirbt einen frühen und einsamen Tod. Der Löwe ist – wie wir Menschen übrigens auch – ein Rudeltier. Unser einsamer Löwe ist also dazu verdammt, allein zu leben.
Schon sehr schnell stellt sich ihm die grosse Problematik der Nahrungssuche. Da Löwen im Rudel jagen, wird er sich wohl vor allem von Aas ernähren müssen. Bald werden ihm die Zähne ausfallen, und manch ein Safari-Tourist hat sie gesehen: die verdorrten Löwen-Kadaver in der Steppe.
Bei den Menschen ist es glücklicherweise nicht so drastisch. Oder doch? Der Mensch verdorrt eben auch, innerlich und emotional. Er verdorrt, lange bevor er stirbt.
Der Mensch, immerhin, ist nicht allein von der Mähne und seiner (Mannes-)Kraft abhängig. Zum guten Glück. Denn so kommen auch Männer, die kleiner sind als 1,80 Meter und dicker als ein 25er Body-Mass, zu einer Traumfrau.
Ohne dass ich mich als Frauenversteher bezeichnen würde, habe ich zweierlei begriffen: Macht korrumpiert nicht nur, Macht macht auch sexy. Frauen stehen auf starke Männer mit Macht.
Auch das übrigens eine Anleihe aus der Evolution, denn Macht und Stärke garantieren gute Gene für die Fortpflanzung und das Überleben. Männer, die weder Macht haben noch mit natürlichen Gaben bestückt sind, haben aber immer noch eine Chance.
Wenn sie, nachdem sie die – wohl nicht gerade kleinen – Barrieren überwunden haben, sich als gute Zuhörer und Versteher outen, dann sind auch ihre Chancen wieder intakt. Frauen (und nicht nur Frauen) lieben es, so denke ich, wenn man sie ernst nimmt, wenn man zuhören kann und auf sie eingeht.
Doch was ist der springende Punkt dabei? Wenn man das alles nicht ist, dann ist nix. Etwas sein zu wollen, um die Chancen auf dem extrem hart umkämpften Partnermarkt zu erhöhen, kann ja nicht die Lösung sein. Früher oder später fallen die Hüllen ohnehin.
Ich frage mich – in den seltenen Fällen, in denen ich ausgehe –, was da für ein Narrenhaus um mich herum herrscht: Die Männer sehen alle gleich aus, gegelte Haare, sockenlos in trendigen Slippern, Skinny-Hemden, Hochwasser-Hosen – und nicht wenige von ihnen geschminkt.
Bei den Frauen noch schlimmer – wenigstens aus meiner Sicht: aufgespritzte Lippen, Brüste und was weiss ich noch alles operiert, gefärbte Haare, falsche Wimpern und die obligate Sonnenbrille auf dem Kopf – auch mitten in der Nacht.
Unbegreiflich, wo doch die Augen etwas vom Schönsten sind bei einem Menschen. Alle diese Menschen gucken meist extrem gelangweilt (was sie wohl auch sind) und arrogant (Arroganz ist meist eine Form von Unsicherheit) um sich.
Sie wollen gesehen, bestaunt werden, ohne dass sie sich die Blösse geben möchten (wäre ja ein Schwäche-Eingeständnis), andere Menschen wahrzunehmen. Oft stelle ich mir die Frage, ob hinter diesen Fassaden noch echtes Leben wohnt.
Uniforme Menschen, aus sicherer Distanz betrachtet: Sind sie wirklich geboren worden? Sie sehen mehr aus, als ob sie alle aus der gleichen Gussform stammten. Ein wirkliches Narrenschiff, unsere Gesellschaft, ich kann leider nicht aufhören, das festzustellen.
Mit dem Andres-sein-wollen, als man ist, ist die Vorstufe erreicht zum ultimativen Super-GAU: Andere so zu formen, wie man sie möchte, anstatt sie so anzunehmen, wie sie sind.
Eine kurze Geschichte dazu: Vor Jahren hatte die Frau eines Freundes jeweils gesagt, wenn er frisch vom Coiffeur kam, dass er eine Frisur wie eine alte Frau habe. Das hat ihn nachhaltig gekränkt (er spricht noch heute, Jahrzehnte danach, davon).
Er hat seine Frau daraufhin gebeten, ihm zu sagen, was sie denn für einen Haarschnitt an ihm gut fände. Sie gab ihm ein Bild von Brad Pitt mit. Er gab es dem Coiffeur, der warf einen skeptischen Blick darauf und versuchte sein Bestes.
Wieder zu Hause, erneut: „Du hast eine Frisur wie eine alte Frau“. Das hat ihn extrem demoralisiert, und am Ende sagte er ganz verzweifelt zu seiner Frau: „Verdammt nochmal, ich BIN NICHT Brad Pitt!“
Kurze Anmerkung: Sie sind heute nicht mehr zusammen (wohl nicht nur wegen seiner Frisur), haben deswegen viel Leid ertragen.
Ihr hat es wohl gedämmert, dass das mit Brad Pitt wohl eher nichts wird, wollte aber trotzdem keinen Mann an ihrer Seite mit einer Frisur einer alten Frau, und hat sich darum einen schnittigen Bling-Bling–Typen angelacht. Ob sie nun glücklicher ist, weiss der Himmel.
„Bedenke: Nicht zu bekommen, was man will, ist manchmal ein grosser Glücksfall“ (Buddha)
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